Griechischer Stil im Hack’n’Slay-Wettbewerb
Neben anderen Hack'n'Slay-Action-RPGs reihte sich Titan Quest 2 auf der diesjährigen Gamescom in eine illustre Konkurrenz ein: Nicht nur Diablo 4 präsentierte das neue Add-on, auch Path of Exile 2 und das Indie-Spiel Ravenswatch waren präsent.
Alle haben natürlich ihre Besonderheiten und Gemeinsamkeiten, die im Genre verankert sind. Diablo 4 ist sicherlich das zugänglichste und am aufwändigsten produzierte Spiel. Path of Exile 2 hat das beste Kampfsystem und eine zugänglich anspruchsvolle Spielmechanik und Titan Quest 2 ist atmosphärisch stark und bringt eine tiefe und liebevolle Darstellung der griechischen Mythologie mit.
Man spielt einen charakterlosen Protagonisten, der aus irgendeinem Grund von der griechischen Göttin Nemesis, der Göttin der Rache, ins Visier genommen wird. Dementsprechend muss man sich durch diese griechische Welt bewegen und nicht nur gegen typische mythische Gestalten wie Greifen, Sirenen, Harpyen und dergleichen kämpfen, sondern auch andere Fraktionen besiegen und sich auch mal mit Bossen aus der Götterwelt messen.
Abgesehen von einem wirklich schönen, komplett handgemachten Setting, das die griechische Landschaft und ihre Sagen gut einfängt (fast wie bei Assassin’s Creed Odyssey) und einer sehr guten, detaillierten Grafik mit schönen Lichteffekten und laufenden Tageszeiten, würde dieses Spiel als Action-RPG eigentlich nicht viel Besonderes bieten. Wäre da nicht die große Flexibilität der Charaktere. Diese sind nämlich nicht wie üblich in Klassen eingeteilt, sondern man kann hier relativ frei hybride Pseudoklassen erstellen, indem man Fähigkeiten skillt, die sich doch etwas vom Genrestandard abheben. Man erstellt die eigene Klasse indem man zwei “Meisterschaften” kombiniert. Statt Stärke, Intelligenz etc. werden die Skills auf Kraft, Beweglichkeit, Wissen verteilt. Es gibt aber auch Attribute wie Fitness, Gerissenheit und Entschlossenheit als Metawerte, die sich auf die Meisterschaften auswirken. Unser Charakter entwickelt sich dann aus den Stärken und Schwächen der Meisterschaften sowie durch die Anwendung verschiedener Fähigkeitsmodifikatoren, Attribute und Gegenstände, was sehr viel Spielraum lässt.
Ähnlich frei funktionieren die gesammelten Gegenstandswerte, da auch hier ein System entwickelt wurde, so dass es kaum Ramschgegenstände gibt, sondern man eigentlich aus jedem normalen Blechschwert oder -speer durch die richtige Anwendung von Affixen, Edelsteinen etc. eine mächtige oder sogar einzigartige Waffe machen kann. Das ist zwar auch in anderen Spielen des Genres teilweise möglich, scheint aber in dieser offenen Flexibilität doch ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal zu sein. Jedenfalls haben wir es so noch nicht gesehen. Das macht auch die Erklärung von Spielfortschritt und Loot-Systemen nicht so einfach, weil diese Flexibilität fast schon ein eigenes Vokabular erfordert.
Was das Kampfsystem angeht, gibt es hier auch moderne Roll- und Ausweichmanöver und es wirkt fast ein wenig moderner und direkter und konzentrierter als bei Diablo. Wir konnten es allerdings nicht selbst spielen, sondern bekamen es nur vorgespielt. Der erste Eindruck dazu war dennoch, dass es ein bisschen weniger gegen Gegnermassen geht und einzelne Gegner mehr eine Herausforderung mit sich bringen, so dass es im Alltag doch etwas spannender sein sollte, als es vielleicht akuell bei Diablo der Fall ist.
Beim Releaseplan setzt der Entwickler zunächst auf einen Early Access, der aber direkt mit einer runden Singleplayererfahrung von geschätzten 12 Stunden Spielzeit herauskommt. Danach soll der “Content”, natürlich angepasst an das Feedback der Spieler, bis zum finalen Release stetig erweitert werden. Die danach geplanten DLCs werden dann mehr Story, mehr Meisterschaften und eventuell auch Waffenklassen bieten.
Auch wenn wir nicht die ganze Zeit nur auf den Genrekönig einschlagen wollen, so hatten wir doch den Eindruck, dass das Genre mit seinen Konkurrenten derzeit sehr gut aufgestellt ist und auch Titan Quest 2 so einiges an Alleinstellungsmerkmalen bietet, dass es einen Blick wert ist. Sei es die spannende griechische Mythologie, die Story, das flexible Charaktersystem oder vielleicht auch nur die schönere und anschaulichere Grafik. Titan Quest 2 ist auf dem besten Weg ein würdiger Nachfolger zu werden, der zwar in der Umsetzung vielleicht leicht nach Standard aussieht, aber dennoch ein tiefgründiges, gut gemachtes Spiel wird, das den Hunger nach Action-RPGs gut stillen sollte.
Titan Quest 2 - Gameplay Trailer