The Amazing Spider-Man: Zurück zu den Anfängen, aus geschäftlichen Gründen - pixelmonsters.de
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The Amazing Spider-Man

von ComancheMan,

Dass Hollywood ja ohne Scheu und teils auch ohne Rücksicht auf Verluste mit seinem geistigen Eigentum diverser Franchise-Universen umspringt, daran musste man sich als Film-Fan mittlerweile gewöhnen. Als ein gelungenes Beispiel dafür sei hier nur einmal der letzte Star-Trek-Film genannt. Wenn aber selbst der Moderator einer Premierenfeier es wagt, diesen Punkt vieler Kritiker zu erwähnen, dann muss dabei beim aktuellen Beispiel des Spider-Man-Reboots schon eine neue Brisanz erreicht worden sein. Doch erst einmal kurz zur Story des neuen „The Amazing Spider-Man“:

Klein-Peter-Parker muss als Junge einen Einbruch in sein Elternhaus miterleben, der auf Dokumente seines Wissenschaftler-Vaters abzielte. Infolgedessen machen sich seine Eltern aus dem Staub und überlassen ihn der Obhut von Onkel Ben und Tante May. Von da an trägt Peter das emotionale Gepäck dieses Prologs als Bürde des Drehbuchs mit sich herum. Eines Tages findet er als Teenager eine versteckte Tasche seines Vaters im Haus, welche ihn dazu bringt Nachforschungen über diesen anzustellen und damit setzt Peter seine Entwicklung zum späteren Helden in Gang. Die Spur führt ihn zunächst zum ehemaligen Arbeitgeber seines Vaters, dem Mega-Forschungskonzern OsCorp. Beim dort Einschleichen macht Peter nicht nur die Bekanntschaft mit dem genialen einarmigen Wissenschaftler Dr. Curt Connors (Rhys Ifans), der ein ehemaliger Kollege des Vaters war und an rassenübergreifender Genetik arbeitet. Rein zufällig arbeitet dort auch sein Schulschwarm Gwen Stacy, die zudem noch die Tochter des Polizei-Chefs ist, der wiederum mit dem folgenden Treiben von Spider-Man natürlich wenig einverstanden ist. Dieser eine schicksalhafte Besuch hat selbstverständlich auch zur Folge, dass Peter überhaupt erst von einer der genmanipulierten Labor-Spinnen gebissen wird, was ihm seine Superkräfte verleiht. Zudem kann er dort auch noch die Technik der Spinnenfäden ergaunern, die ihm das Schwingen durch New Yorks Häuserschluchten ermöglichen werden. Als durch das Stöbern nach seiner Vergangenheit das Verhältnis zu seinen Adoptiveltern belastet wird und sein Onkel Ben nachts bei der Suche nach Peter erschossen wird, macht sich Peter schließlich auf den Täter mithilfe seiner neuen Kräfte zu bestrafen. Dabei entwickelt er bald zur Verschleierung seiner Identität das Spider-Man-Outfit.

Währenddessen läuft Dr. Connors die Zeit für dessen Forschungen davon und er schreitet kurzerhand zum Menschenversuch an sich selbst bzw. an seinem verstümmelten Arm. Mit einem Mittel für nachwachsende Extremitäten erneuert sich der Arm. Doch durch eine Überdosis mutiert Connors selbst immer wieder stundenweise zum mächtigen Echsenwesen Lizzard, das kein Gewissen kennt und nach und nach wahnsinniger wird und schließlich die ganze Stadt bedroht. Zum Ende des Films muss sich zeigen, ob Spidy gegen ihn bestehen kann, wie er mit der Polizei umgeht und was aus seinem Schwarm Gwen wird.

Folgt man dem Gesetz der Serie, dass in diesem Jahrzehnt nun auch in Hollywood in Form von Filmserien Einzug gehalten hat, muss man zwangläufig alle paar Jahre auch einen Beitrag zum Serien-Franchise liefern. Dass das mit einem Spider-Man 4 als normaler Fortsetzung, die für letztes Jahr anvisiert war, nicht geklappt hat, hatte vielfältige Gründe. Man hätte vermuten können, dass Tobey Maguire zu alt und zu teuer geworden ist, dass Kirsten Dunst oder Sam Raimi aufgerieben waren nach den vorherigen Filmen. Dass das Studio Marvel unzufrieden war und mehr Einfluss wollte oder dass es gar zugunsten der bisher chronisch unzufriedenen Spider-Man-Hardcore-Fans geschah. So richtig wahr ist davon nichts und ausschlaggebend war wohl eher, dass man auf Produzentenebene seine Hausgaben nicht organisiert bekam. Irgendwann musste der verantwortliche Kreativkopf Sam Raimi einsehen, dass man trotz schon gesetzter Cast (Malkovich!) und Gegnern keine Story hatte oder jedenfalls mit diesen vorausgesetzten Prämissen keine interessante mehr entwickeln konnte. Die Produzenten machten nach Raimis Absprung dann, was Kreativwirtschaft-Manager immer tun, wenn sie mit einem Franchise nicht weiterwissen: ein Reboot für eine aktuelle Generation Teenager musste her und dessen Release wurde um lediglich einen Sommer nach hinten verschoben.

Diesen widrigen Umständen dürfte es nun auch geschuldet sein, dass der fertige „The Amazing Spider-Man“ mit einer Story aus nur allzu bekannten Versatzstücken und viel zu vielen Drehbuch-Zufällen kommt. Die Basis stellt dabei die nur zu gewöhnliche Mad-Scientist-Story um den Lizzard dar, die noch vom Vorgängerprojekt übernommen wurde. Fast scheint es, als ob sich die Macher mit einer Szene gegen Ende bewusst selbst auf die Schippe nehmen wollten, in der die Literatur-Lehrerin Peter Parkers auf das Konzept verweist, dass es ja ohnehin nur 10 Basisplots in allen Erzählmedien gibt. Als Ausrede für die zu simple und zu lang aufgeblähte Geschichte, die zudem noch keinen guten Flow hat, sollte das aber nicht durchgehen. Die durchschnittliche Regie allein dem ehemaligen Musikvideo-Regisseur Marc Webb anlasten, ist aber auch etwas unfair, da man fast fühlen kann, wie wenig Einfluss er auf das Projekt noch hatte, als er wahrscheinlich relativ spät dazu geholt wurde. Und kaum ein aufstrebender Regisseur hätte zu so einem Angebot Nein sagen können. Wo Webb aufgrund seiner Clip-Erfahrung noch am Meisten brilliert, ist die technische Umsetzung des Films insbesondere in den beeindruckenden 3D-Schwingsequenzen aus Ego-Perspektive. Er zeigt dabei ein gutes Händchen für Bildkomposition und spektakuläre Perspektiven, die er mit mitreißend zu einem schnellen, modernen Schnittgewitter zu verbinden weiß, ohne es zu übertreiben. In schlechten Sequenzen erreicht der Look der Full-CGI-Bilder zwar zeitweise nur Videogame-Optik, aber immerhin stimmt der 3D-Effekt, da hier nichts konvertiert wurde. Um sich wirklich wie Spider-Man zu fühlen, sind diese Sequenzen aber zu schnell vorbei, anders würden wohl auch zu viele Besucher den Motion-Sickness-Effekt erleiden.

Schauspielerisch muss man im Übrigen keinen echten emotionalen Tiefgang erwarten. Andrew Garfield als Peter Parker wird hier seinem Hype nicht gerecht. Seinen Kernkonflikt kauft man ihm schwerlich ab, ebenso wenig wie dass Peter an seinem Tun als Spider-Man einmal richtig Spaß hat. Der Emo-Parker, den Garfield hier gibt, schafft es gerade einmal das über einen vereinzelten Freudenschrei rüberzubringen. Genauso liefert Rhys Ifans mit seinem Spiel nur Solides. Die Handlungen seines zentralen Antagonisten Lizzard, sind weder durch das Drehbuch noch emotional ausreichend begründet. Emma Stone ist wie immer nett anzusehen, kann aber kaum etwas ihres herrlichen Humors aus Zombieland herüber retten. Lediglich einzelne Szenen wie zum Beispiel eine mit Parker beim Essen mit ihrer Familie und ihrem Polizei-Vater deutet das vorhandene Comedy-Potenzial an.

The Amazing Spider-Man
The Amazing Spider-Man

Produktion USA 2012
Laufzeit 136 Minuten
Kinostart 28. Juni 2012
Fazit von ComancheMan

Man hat es wahrscheinlich schon gemerkt, dass, meiner Meinung nach, dieses Reboot von Spider-Man unnötig war. Das Ergebnis der kurzen Pause zwischen den Filmen zeigt, dass es offensichtlich nicht möglich gewesen ist, einen wirklich neuen, interessanteren Ansatz zu finden. Vielleicht hätten ja auch eine Umbesetzung, ein Rückblick und ein Wechsel des Love-Interests gereicht. Jedenfalls schafft es dieser neue Film nicht Parkers zentrales Drama aus der Jugend wirklich packender auszuarbeiten. Er schafft allerhöchsten einen kleinen Ansatz der herzlichen Emotionalität der Raimi-Umsetzungen. Der Gegenspieler Lizzard ist ein insgesamt lahmer, schwacher Gegner für Spider-Man. Es stellt sich die Frage, welcher Charakter in der nächsten Fortsetzung das steigern soll, der nicht zwangsläufig einen Vergleich mit den vorherigen Raimi-Filmgegnern eingehen müsste.

„The Amazing Spider-Man“ ist für sich betrachtet ein zumindest technisch sehr guter Popcorn-Streifen für eine neue jugendliche Zielgruppe. Obwohl schön anzusehen, ist er aber recht spannungsarm und voller großer Story-Löcher. Dennoch ist er eine solide Basis für einen Franchise-Neuaufbau, dass sich aber auch schauspielerisch noch entwickeln muss, wenn die Pseudo-Coolness hier nicht sogar den Zeitgeist trifft.

7
/ 10