Solaris: Die Notwendigkeit des Loslassens - pixelmonsters.de
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Solaris

von ComancheMan,

Der inzwischen leider verstobene, bekannte polnische Autor Stanislaw Lew verfasste im Laufe seines Lebens diverse Science-Fiction-Geschichten, darunter auch den Roman "Solaris", die sich wie alle seine Geschichten durch einen tieferen Hintergrund auszeichnen. 1972 wagte man sich im Ostblock in der UdSSR an eine erste Verfilmung. Der Regisseur Andrei Tarkowski legte die Umsetzung damals allerdings sehr langsam an und schuf dabei ein philosophisches Machwerk von 165 Minuten Länge, welches seinen Ansprüchen nicht gerecht wurde.

Vor vier Jahren machte sich schließlich Star-Regisseur Steven Soderbergh nach Erfolgen wie "Out of Sight" und "Ocean's Eleven", in denen ebenfalls George Clooney auftrat, zusammen mit Produzentenlegende James Cameron (Aliens, Terminator) über den Stoff her. Hierbei gelang es ihnen eine beachtlich modernisierte Version dieses schwierigen Science-Fiction-Stoffes umzusetzen.

Die Erzählung beginnt in einer unbestimmten, nicht allzu fernen Zukunft. Der Psychologe Chris Klein treibt recht emotionslos durch sein Leben als ob er auf etwas wartet bzw. ihm etwas fehlt. Eines Abends bekommt er dann aber eine obskure Videobotschaft seines guten Freundes Gibarian überbracht, der sich von einem Raumschiff auf einer Forschungsmission aus meldet. Gibarians Schiff, die "Prometheus", hatte den Auftrag den fremden Himmelkörper "Solaris" zu erforschen. In der Botschaft erscheint er allerdings geistig verwirrt und bittet Chris ihm zu helfen. Da nach der Botschaft der Kontakt zum Schiff abriss, ersucht man Chris aber auch von Seiten der betreuenden Firma aus den Status der Mission endgültig zu klären.

Nach einer nicht dargestellten Reise kommt Chris auf der "Prometheus" an und findet direkt nach Betreten der Station Blutspuren und zwei Leichen, wovon eine sein Freund ist. Der ganze Rest der Crew besteht noch aus dem wirr und durcheinander sprechenden Techniker Snow und der verängstigten, schwarzen Physikerin Dr. Gordon. Beide liefern Chris keine echten Informationen über die Vorkommnisse über die Tatsachen hinaus, dass Gibarian Selbstmord begannen hat und das sich noch ein Junge in der Station versteckt. In seiner ersten Nacht an Bord beginnt Chris dann folgenschwer von der ersten Begegnung mit seiner vor Jahren verstorbenen Frau Rheya (Natascha McElhone) zu träumen. Als er schließlich erwacht, scheint der Traum nicht wirklich zu Ende, denn Rheya sitzt plötzlich neben ihm Raum und verschwindet nicht wie der Rest des Traums. In einer ersten Verwirrung möchte er sie nur loswerden und schickt sie per Schiffskapsel allein in den Weltraum. Nachdem Rheya aber nach der nächsten Nacht wieder beim ihm im Raum sitzt, kann er ihr nicht mehr wiederstehen und er beginnt nach Jahren der Einsamkeit endlich wieder Erfüllung im Leben zu erkennen.

Wie sich herausstellt hatten alle menschlichen Bewohner der Station solche Besucher, was auch zu Selbstmorden bei den Bewohnern führte, die damit nicht umzugehen verstanden. Die fremden Besucher sind sich stets selbst über ihre Herkunft im Unklaren und haben zwar viele Erinnerungen ihrer Originale, aber andererseits auch erhebliche Gedächtnislücken, besonders natürlich bzgl. der Zeit nach ihrem Tod. Nach kurzer Zeit erkennt jedoch auch Rheya selbst, dass sie kein Original ist und weiß selbst nicht richtig mit dieser Erkenntnis umzugehen. Unter den echten Menschen auf der Station entbrennt inzwischen hingegen auch eine hitzige Diskussion darüber, wie mit den Besuchern umzugehen ist, besonders da man herausfindet, dass diese nicht ganz so leicht sterben können. Während Chris in Rheya nur noch seine Frau sieht, möchte Dr. Gordon dagegen alle Besucher einfach nur loswerden. Im weiteren Verlauf des Films muss schließlich jeder auf der Station seinen eigenen Weg finden, um mit der Situation und den Besuchern umzugehen.

Soderberghs "Solaris" beginnt von Anfang an als atmosphärischer, rätselhafter Film. Der Zuschauer bekommt sofort das Gefühl, dass er mit dem Film keine einfachen, eindeutigen Antworten erhält. Stattdessen wirft der Film gleich eine ganze Reihe tiefschürfender Fragen auf: Wo kommen die Besucher her? Was wollen sie? Welcher Zusammenhang besteht zu Solaris? Wo endet der Unterschied zwischen Kopie und Original? Gibt es echte Liebe über den Tod hinaus? Ist der Mensch schon bereit für die Grenzen auf die er beim Forschen trifft? Will man überhaupt echte neue Welten erfahren oder doch lieber nur Abbilder (z.B. der Personen)? Dazwischen bleibt dennoch immer die Beziehung von Chris und Rheya das eigentliche Kernthema des Films. Über diverse Rückblenden wird diese detaillierter dargestellt und es wird schnell klar, dass sie nicht ohne Probleme war, besonders hinsichtlich der Themen Ehe und Kinder. In diesem Zusammenhang ergibt sich immer mehr eine Frage nach Schuld und Sühne für die Figur des Chris, da man irgendwann erfährt wie Rheya auf Grund von Beziehungsstress Selbstmord beging. Für Chris ist die neue Rheya aber eine zweite Chance. Er wird damit endgültig zum Spielball seiner bedingungslosen Liebe für sie und nichts anderes spielt für ihn noch eine Rolle. Gleichzeitig entwickelt er sich damit aber auch zum Contrapart für die neue Rheya, weil sie sich ihrer eigenen Existenzberechtigung unsicher ist.

Von Clooney ist die darstellerische Umsetzung dieses Dilemmas indes nicht unbedingt als Meisterleitung zu bezeichnen. Er spielt den Psychologen fast stoisch beherrscht mit eingeschränkten Mitteln, dennoch passt diese Melancholie irgendwie auch zur Rolle. Und er schafft es dennoch als Star den Film zu tragen, was hier besonders wichtig ist. Im Gegensatz dazu gelingt es Natascha McElhone als seine Partnerin ihre innere Zerrissenheit zwischen Liebe und Tod wesentlich glaubhafter herüber zu bringen. Der Rest der Schauspieler dagegen tritt kaum in Erscheinung, auch Ulrich Tukur nicht.

Neben dem philosophischen Anspruch des Films sind die Bilder und deren optische Ausarbeitung der klare Star von "Solaris". Zwar bedient man sich dafür recht ordentlich bei Vorbildern wie "2001- Odyssee im Weltraum", "Dark Horizon" und Camerons Unterwasserspektakel "The Abyss", aber die aktualisierte Qualität und die starken computergenerierten Weltraumsequenzen gleichen das wieder aus. Immer wieder erzeugen Zwischenschnitte des sich verändernden "Solaris"-Himmelskörpers, der im Verlauf das Films von blau über violett zu rot-orange die Farbe wechselt, eine leicht apokalyptische Atmosphäre. Ebenfalls sehr gelungen ist die Setgestaltung, welche sich zwar auf wenige Räume beschränkt, aber mit hohem Anspruch ans Design des Interieurs der Station umgesetzt wurde. Bei der Soundummalung ist "Solaris" ähnlich minimalistisch umgesetzt wie bei seinen Dialogen. Außer einem bedrohlichen Grunddröhnen der Station gibt es kaum nennenswerte Geräuscheffekte. Anders sieht bei der Musik aus; der Soundtrack vom Komponisten Cliff Martinez ist ruhig und sehr atmosphärisch, was den generellen Aufbau des Films untermalt. Die Stücke wirken dabei fast ausnahmslos sehr mysteriös, stellenweise könnte man sie sogar in Ambient/Chill-Genre einordnen.

Solaris


Produktion USA 2002
Laufzeit 98 Minuten
Kinostart 6. März 2002
Fazit von ComancheMan

Wer sich schon mit "2001" nicht anfreunden konnte, wird auch "Solaris" hassen, denn auch hier werden ungewöhnlich ernste Themen im Science-Fiction-Kleid verpackt. So könnte man die Thematik der kopierten Menschen als Anstoß zum Thema Gen-Technik verstehen. Die Erzählstruktur ist dabei trotz eigentlich kurzer 98 Minuten Länge schleppend langsam. Wer sich dennoch darauf einlässt wird ein meisterhaft bebildertes SF-Drama sehen, welches mit seiner Geschichte tiefenphilosophische Fragen nicht nur streift. Denn eigentlich suchen die Menschen doch immer Antworten auf Fragen wie ‚Sind wir schon bereit die Grenzen der Forschung zu überschreiten?' oder ‚Wie lebenswichtig kann/darf Liebe werden?'.

9
/ 10