Nachdem James Bond mit den Daniel-Craig-Bond-Filmen in den letzten Jahren mehr oder minder erfolgreich modernisiert wurde oder auch seine Identität als Bourne-Abklatsch etwas verloren hatte, kam nun mit Skyfall endlich wieder ein neuer Bond-Streifen ins Kino. Auf diese ewig verspätete Produktion durfte man auf Grund der kürzlichen Fast-Pleite des Produktionsstudios MGM gespannt sein. Und nicht zuletzt weil mit Sam Mendes ein sehr renommierter Charakterregisseur am Hebel saß.
Das neue Abenteuer beginnt ganz unvermittelt mit einem Zwei-Personen-Einsatz in der Türkei. Bond soll eine Situation retten, in der eine Festplatte mit sämtlichen MI6-Geheimidentitäten gestohlen wurde. Schon hier fragt man sich wie dämlich unsere echten Geheimdienste mit ihren wichtigsten Daten umgehen. Obwohl, vor dem Hintergrund WikiLeaks will man es vielleicht gar nicht so genau wissen. Es folgt daraufhin eine gute, sehr solide gemachte Verfolgungsjagd über den Großen Basar Istanbuls, die mit einem Zuges weitergeht und über einer riesigen Brücke endet. So spannend die Settings sein sollten, so bekannt wirkt es soweit (Könnte auch am Film-Trailer liegen!). Interessant wird die Szene als Bonds Chefin M seiner Kollegin einen Risikoschuss befiehlt, der jedoch nur Bond trifft, welcher daraufhin als tot gelten muss. Das größere Übel ist bei dem Versagen jedoch der Verlust der Geheimdaten, die eine Gefahr für aktive Agenten darstellen.
Bond genießt seinen vermeintlichen Tod mit gewohnt labilem Tollkühn-Lifestyle während M reichlich Ärger für die vergeigte Aktion bekommt. Letztendlich soll sie sogar abgesetzt werden und die Notwendigkeit des Doppelnullagentenprogramms wird in Frage gestellt. Dann explodiert jedoch ihr Büro in der MI6-Zentrale und jemand droht die Agenten von der Festplatten öffentlich zu enttarnen. Bond nimmt diesen Anlass um zurückzukommen und M zu unterstützten, die jetzt vom Ausweich-Hauptquartier im Londoner Untergrund agiert. Er wird durch das Wiederaufnahmeprogramm geschleust und von M losgeschickt um der Spur des Festplattendiebes zu folgen. Mal wieder zu rabiat, schaltet Bond diesen aus, kann jedoch eine Spur zu einem Casino in Macao sicherstellen. Dort bekommt er unter seltsamen Umständen Kontakt zum Bondgirl Sévérine, die ihm jedoch nicht wirklich verfällt, da sie zu viel Angst vor ihrem Boss Silva hat, welcher Bond selbst auf seiner Todesliste hat. Weil vermutlich mehr dahinter steckt, lässt sich Bond in dessen Geheimquartier einschmuggeln. Diese Insel im Stil der tiefsten Traumebene von Inception, die jedoch ein unglaublicher realer Filmdrehort war, ist natürlich der Schauplatz des Zusammentreffens mit dem Filmbösewicht. Jarvier Bardem spielt hier den Ex-MI6-Agenten Silva mit einem Spaß wie kein zweiter Schauspieler im Film. Sein Auftritt mit mal wieder sehr prägnanter Friseur ist der eines ungewöhnlich affektierten, schwuchteligen, psychopathischen Cyber-Terroristen, der eine ernste Wut auf M hat.
Letztlich kann Bond ihn gefangen nehmen und sich in einer heftigen Expositionsszene im MI6-Bunker dessen Motivation erklären lassen, die vor allem vom Fallengelassenwerden als Agent mit anschließender Foltergefangenschaft herrührt. Als M ihn dennoch die kalte Schulter zeigt, setzt Silva seinen weiteren Plan um, entkommt, sprengt einen Londoner U-Bahn-Tunnel und begeht einen Anschlag auf M, die sich gerade in einem Ausschuss verantworten muss. Bond realisiert sie als eigentliches Ziel der ganzen Aktionen, kidnappt sie kurzerhand und bringt sie zu einem Ort seiner Jugend nach Schottland, wo er auf eine finale Konfrontation mit Silva wartet.
An diesem Punkt ändert Skyfall ziemlich drastisch seinen Stil und wird zu einem kargen, martialischen, sehr klassischem Thriller. Das ist ganz offensichtlich eine Überleitung zu einer Neuausrichtung im Sinne sehr klassischer Bondfilme der Sechzigerjahre. Es ist cool und legitim so einen Schwenk zu gehen, die Motivation dafür bleibt jedoch erst einmal schleierhaft.
Allgemein sagt die Richtung, in die sich die Bondfilme seit Craig entwickelten, nicht jedem direkt zu, obwohl der Zwang zur Modernisierung natürlich offensichtlich war. Durch Skyfall ist man nun völlig verwirrt welche Ausrichtung das Franchise nehmen soll. Oder war vielleicht auch der MGM-Finanzhintergrund die Kraft dahinter jetzt gezwungen einen Umschwung Richtung Retro zu gehen? Abgesehen von dieser Irritation und einer komischen Stil-Zweiteilung serviert uns Sam Mendes hier endlich mal wieder einen supersoliden, teils sogar richtig guten Bond-Streifen. Die Story ist zwar wieder der typisch wirre Mischmasch mit vielen Logiklöchern, was aber bei Bond selten stört. Denn das zentrale Thema der persönlichen Rache passt dann richtig gut in die Thematik.
Das Opfer dieser Rache, Judi Denchs M, trägt dann auch emotional den Film als bierernste, eiskalte Opportunistin, der ihr rücksichtsloser Arbeitsstil und damit quasi auch ihr Karriereweg auf die Füße fallen. Dench nochmal so intensiv spielen zu sehen wie in Skyfall stellt dabei ein schönes Alterswerk für sie dar. Craigs Bond bleibt dagegen weitestgehend wieder der ziemlich eindimensionale Killertyp mit Gehorsamstick. Er agiert mit nur wenigen Gesichtszügen und teils schwer nachzuvollziehender Motivation. Und er sieht zwar durch seinen Schauspieler auch schon reichlich alt aus, schafft es aber genauso wenig wie Christian Bales letzter Batman das Gebrochene nach dem vermeintlichen Todesschuss richtig glaubwürdig darzustellen. Silva stellt dagegen den fast genauen Gegenentwurf zu Bond dar: er ist affektiert, tuntig, egoistisch und emotional. Bardem macht aus der Figur fast schon eine Persiflage von Bond-Klischees. Aber sein launiges, sehr amüsantes Spiel dürfte so doch eine Weile in Erinnerung bleiben. Als Randbemerkung sollte noch Ben Whishaws neuer jugendlicher Hacker-Q erwähnt werden, der überraschend komisch daherkam und wohl nicht von ungefähr an die Nerds aus „The IT-Crowd“ erinnert.
Insgesamt bekommt Regisseur Mendes die Charakterisierung gewohnt gekonnt hin, schwächelt aber leicht im Fach der Actioninszenierung. Die Szenen in der ersten Hälfte kicken höchstens mal durch krasse Stunt als durch besonders gute Dramaturgie, einzelne Sequenzen wirken sogar austauschbar. Das große Actionfinale der zweiten Hälfte ist von der Idee eigentlich auch nichts Neues („Assault - Anschlag bei Nacht“), kommt aber mit bombastischen Explosionen und einer funktionierenden Inszenierung intensiver rüber. Die Kameraarbeit von Veteran Roger Deakins zeigt sich aber gerade in den mitreißenden Szenen in nicht besonders gutem Licht. Die Dialogszenen weiß er gekonnt abzuhandeln, aber es wird nicht verstanden die Kinetik der Action mit Kamera aufzunehmen. So komisch es klingt, aber hier war die Kamera tatsächlich mal zu statisch. Nur bei einigen Landschaftstotalen weiß sie wirklich beeindruckende Bilder zu zeichnen. Genauso wie fast alles wirkt auch das Szenenbilddesign nach dem Stilbruch deutlich cleverer, auch wenn es in der ersten Hälfte Lichtblicke gibt wie die Verhörzelle Silvas oder die verlassene Insel seines Hauptquartiers. Bemerkenswert ist, dass das unvermeidbare Product Placement zwar präsent, aber nicht mehr ganz so aufdringlich erscheint. Trotzdem warte ich nur noch drauf, dass Bond sich neben allen anderen Sony-Produkten irgendwann einmal an die Playstation setzen muss.
Zum bei Bond immer wichtigen Designaspekt der Titelmontage bleibt noch zu sagen, dass diese erneut mit so nie zuvor gesehen spannenden Grafikeffekten beeindruckt, die aber leider nicht konsequent durchgehalten werden. Zu viele auf Realbildern basierende Einstellungen stören eher den sonst guten Gesamteindruck der Sequenz. Adeles cool gesungene Titelsong unterstützt die Sequenz vorteilhaft und deutlich besser als die letzten Musiker, die sich an einem Thema versuchen durften. Aber dem Song fehlt trotzdem ein bisschen Tempo und er wird Adeles Talent auch nicht vollständig gerecht.