Was für ein grauenhaftes Kinojahr das war! Jedenfalls für mich. Die Gründe dafür sind vielfältig und schon fast müßig. Neben Fortsetzungsserien, die mich nicht interessieren (Mr. Potter oder Fluch der Karibik 4) und solchen, die ganz offensichtlich einfach billig und/oder schlecht sind (Twilight, Transformers) gab es bei den großen Hoffnungen für dieses Jahr doch einige teils derbe Enttäuschungen.
Natürlich gab es auch gute Filme 2011, die für mich komischerweise fast alle ziemlich überraschend waren. Ein anderer gewichtiger Grund, warum ich das Jahr insgesamt aber so schlecht bilanziere, zeigt sich darin, wie selten ich es dieses Jahr ins Kino geschafft habe. Da die Kinoverdrossenheit (Danke dafür auch an 3D!) in meinem Umfeld endgültig um sich gegriffen hat, waren meine Versuche mit jemanden hinzugehen auch gerade bei unserer Redaktion größtenteils fruchtlos. Ich überlege mir ernsthaft nächstes Jahr niemanden mehr zu fragen und auch mal allein zu gehen.
Dem „Heimkino“ Vorschub leisteten natürlich auch diverse Internetplattformen, von denen kino.to nur die Bekannteste war. Dass deren Schließung nur ein tagedauernder Erfolg war, hätte ich mir aber auch denken können. Anscheinend sind die Deutschen nicht mal mehr bereit auch nur für eventuell mittelmäßige Filme den Eintritt zu investieren. Dafür sind die Kinos endgültig zu teuer geworden, zumindest für Berliner. Vielleicht sollte einmal jemand den Versuch machen zurückzufinden zu günstigen Kiezkinos für 5€ und ohne 3D-Gedöns. Stattdessen werden hier auch noch die letzten kleinen Filmsäale geschlossen. Alternativ könnte sich die Kinowirtschaft auch mal eine legale Netzplattform neben iTunes für die zeitnahe Filmverwertung überlegen, es bleibt ihnen ohnehin nicht viel anderes übrig gegen die illegalen Plattformen.
Naja, armes Deutschland! Genug lamentiert, hier meine Charts:
11. Hereafter - Das Leben danach
Altmeister Clint Eastwood hat sich hier mit seiner Regie thematisch ziemlich in die Nesseln gesetzt. Was vielversprechend mit einer filmischen Aufarbeitung des indonesischen Tsunamis beginnt ist eigentlich ein sehr getragener Episodenfilm über die Existenz der Seele, deren Möglichkeit zur Wanderung und Nachtoderfahrungen. Dabei verhält es sich wahrscheinlich wie mit der Religion: wenn man nicht auch nur ein bisschen dran glaubt, ist es überhaupt nicht interessant und schafft es nicht auch nur ein bisschen die Saat des zweifelnden Vielleicht zu säen. Insofern versagt der Film in meinen Augen mit seinem Anliegen, es könnte aber auch daran gelegen haben, dass zwei der drei Hauptstorys kaum Handlung bieten. Da kann Matt Damon noch so verheult und aufgequollen in die Kamera linsen. Alleine die Teilgeschichte mit Cécile de France als Reporterin, die über eine Story ihrer Nachtoderfahrung ihre Karriere riskiert, war meiner Meinung nach etwas interessanter. Die gesamte Auflösung des Films entwertet aber auch diesen Teil. Bitte Clint, mach nochmal einen vernünftigen Film!
10. Drive Angry
Ok, mit ganz viel Fremdschäm-Gefühl, etwas Bier und Freunden könnte dieses Machwerk moderner 3D-Filmkunst vielleicht ertragbar sein. So werden zumindest eine heiße Braut (Amber Heard), absurde Kämpfe gegen satanische Kults, Autoaction und Gewalt geboten. Jetzt muss man sich nur Nick Cages gelangweilte, auf Autopilot spielende 3D-Fresse irgendwann aus dem Film wegtrinken. Hm, wohl doch nicht so einfach Drive Angry gut zu finden! Dieser Film ist ein ziemlich gutes Beispiel dafür, warum 3D in Kino überflüssig wie ein Kropf ist, obwohl er wenigstens noch in echtem 3D gefilmt wurde und nicht nur nachbearbeitet wurde. Zerstört wurde der Effekt bei uns wohl durch einen schlecht eingestellten Projektor.
Die Story ist doof und hohl, die Stars machen nur wegen der Kohle mit und gehen wenig in ihren Rollen auf, Klischees werden schamlos ausgeschlachtet und die Schauwerte halten sich weit in Grenzen von schon Gesehenem (wenn man nicht gerade amerikanischer Teenager ist und noch nie Brüste gesehen hat). Positiv heraus sticht für mich nur William Fichtner als teuflischer Buchhalter-Kopfgeldjäger im Anzug, der seine Rolle mit spielerischer Coolness und viel Spaß voll ausschöpft. Ansonsten ist alles daran bis auf die Idee leider ziemlich vergessenswert.
Ich mag eigentlich keine Animationsfilme und Shrek fand ich schon nach dem ersten Teil langweilig. Der Film hatte es wohl von Vornerein bei mir nicht einfach, aber ich habe ihm eine Chance gegeben und bin offen reingegangen. Der Kater hat seine Chance leider nur mäßig verwertet. Die Hauptfigur ist grundsympathisch und auch ab und zu lustig, allerdings lebt sie von Mr. Banderas Stimme und die Synchro hält damit nur halbwegs mit. Die Nebencharaktere kommen da schon nicht mehr ran, sie sind alle ziemlich eindimensional gestaltet und der Charakter des Eies, der vom unsäglichen nervigen Zach Galifianakis gesprochen wurde, ist einfach ein totaler Reinfall. Die Story als Mash-Up in Deutschland teilweise ziemlich unbekannter Märchen ist ziemlich aufgesetzt, gewollt und wirr. Auf der Habenseite hat der Film seine sehr gute Animationstechnik mit hohem Detailgrad und ein, zwei recht atemberaubende Tanzszenen. Am Ende bleibt vom erhofften Spinoff der Shrek-Serie nur ziemliches Mittelmaß übrig.
8. Tron Legacy
Auf die Fortsetzung des 80er-Jahre-Kultklassikers in der heutigen Zeit hatte ich mich ja wahnsinnig gefreut. Und viel von dem, was Disney dabei im Vorfeld aufgefahren hatte, haben sie auch richtig gut gemacht. Die alte Cast war wieder dabei und ist immer noch cool, auch wenn der Dude schon zu fast abgeklärt wirkt. Leider weiß sich der No-Name-Hauptdarsteller nicht zu emanzipieren und verblasst vor der Bilderflut. Die Story ist simpel und leider nur zweckdienlich, man gerät dabei aber in Gefahr sich die des Originals als allzu besonders zu erinnern. Bemerkenswert ist auf jeden Fall der intelligente Umgang mit dem 3D-Effekt als alleiniges Stilmittel für die virtuelle Welt. Diese ist wunderbar modernisiert und Gott sei Dank nur mäßig ausdetaillierter gegenüber früher. Endlich einmal stört es nicht, dass Effekte nach Computer aussehen, hier macht es Sinn. Leider ist Tron: Legacy aber nur in Einem überragend, dem Soundtrack von Daft Punk, die es verstehen sich nicht nur mit ihrem eigenem Stil zu verewigen, sondern auch den formalen Ansprüchen an Soundtracks hervorragend genügen. Leider genügten Disneys Bemühungen auch dem breitem Publikum nicht für einen echten Megakassenerfolg, so dass die geplante Fortsetzung der Tron-Trilogie wohl erstmal etwas weniger anspruchsvoll angegangen werden dürfte.
7. Roller Girl
Mit Roller Girl hat Drew Barrymore ein Plädoyer für Außenseitermädchen und die Randsportart Roller Derby abgeliefert und obwohl das Ganze ziemlich vorhersehbar bleibt, gelingt ihr das mit ihrem recht kurzem Regiedebüt ganz gut. Das liegt vor allem an ihrer durch die Bank sympathischen Girlcast von Zoë Bell über Juliette Lewis bis zur in ihrem Charme unschlagbaren Hauptdarstellerin Ellen Page. Die trägt die Emanzipationsgeschichte von vorn bis hinten mit Leichtigkeit und umschifft mit ihrer subtilen Art jede Ecke von Sülz und Kitsch. Diesen Film kann man eigentlich nur seiner Teenagertochter wärmstens ans Herz legen. Warum es allerdings über zwei Jahre gedauert hat ihn nach Deutschland bringen sollten die Verleiher mal ernsthaft rechtfertigen.
6. Scream 4
Wes Craven kann die Finger nicht von seiner Horrorfilm-Parodieserie lassen und das ist eigentlich auch ganz gut so. Schon in den genialen ersten 20 Minuten beweist er, dass er nichts von seiner Bissigkeit verloren hat und immer noch die Entwicklungen im Genre haarscharf zu analysieren weiß. Es hilft aber massiv, dass mit Kevin Williamson der Autor der ersten beiden Teile wieder mit von der Partie ist. Das Ganze setzt er mit frischen Darstellern auch noch ausgesprochen lustig und intelligent um. Natürlich wird wieder fleißig gemetzelt in Woodsboro und natürlich sind Sidney, Dewey und Gale wieder mit von der Partie bzw. direkt betroffen. Die alten Darsteller hatten dabei ebenfalls wieder sichtlich Lust auf ihre bekannten Rollen und agieren ziemlich souverän bis selbstironisch. Auch wenn die Story mit dem genialen Einstieg im weiteren Verlauf nicht ganz mithalten kann, so ist sie doch immer solide und im Scream-Universum passend angesiedelt. Auch wenn beim relativen Erfolg dieser Weiterführung eine Fortsetzung nicht ausbleiben dürfte, so wäre es doch schön zu sehen wenn Altmeister Craven jetzt nicht im schnellen Rhythmus nachliefern müsste, sondern vielleicht alle 5 Jahre das Genre kommentieren würde.
5. Super 8
Zu J. J. Abrams Kindheits-aufarbeitenden Werk Super 8 bin ich dieses Jahr noch ein angefangenes Review schuldig geblieben, denn dieser Film wusste mich doch ziemlich zu begeistern. Mit dem Streifen drückt er nicht nur seine Liebe fürs unschuldige Filmedrehen als Jugendlicher der 80er-Jahre aus, sondern erbietet auch den Altmeisterwerken dieser Zeit Respekt, allen voran ET und Spielberg als Regisseur im Allgemeinen. Abrams bleibt nicht nur mit dem Look der Zeit treu, auch die Ausstattung ist grandios und die Story ist schön unheimlich ohne gruselig zu werden. Die Schauspieler setzen sich aus erfahrenen TV-Darstellern zusammen und leisten sehr gute Arbeit, besonders erfreulich ist zu sehen mit welcher Leichtigkeit Elle Fanning inzwischen ihrer älteren Schwester Dakota das Wasser abzugraben weiß: A new star is born! Das geheime Monster im Film ist respekteinflößend, schließlich entführt es Menschen und nicht jeder davon überlebt, aber letztlich weiß es Super 8 auch diesem Lebewesen gebührenden Respekt zu zollen und nicht zum simplen Feind zu degradieren. Super 8 ist somit ein schöner Familien- oder Teenager-Film, der zwar durchaus Bombast enthält, aber dem Lärm-Diktat der heutigen Zeit entsagt und das Beste bietet, was Retrotrends ausmachen können.
4. Melancholia
ComancheMans ausführliche Filmkritik dazu.
Brauchte die eigentlich ziemlich gute X-Men-Filmreihe einen Reboot? Nach dem zerfahrenen dritten Teil und dem zähen Wolverine-Film wohl schon. Jedenfalls machte er sich bezahlt wenn man einen so talentierten Regisseur wie Matthew Vaughn an die Sache ran ließ. Dieser lässt sich wieder mehr von den Kerncharakteren leiten und siehe da, es kommt wieder ein guter Film dabei heraus. Natürlich hatten auch die beiden sehr guten Hauptdarsteller Michael Fassbender und James McAvoy großen Anteil am gelungenen Gesamtergebnis. Kongenial und spielfreudig loten sie einmal neu die Ursprünge des zentralen Konflikts der X-Men zwischen Magneto und Dr.X aus. Zwar können nicht alle Randfiguren so tief charakterisiert werden, aber die für Comicverfilmungen ungewöhnlich intelligente Story und das schöne 70er-Jahre-Design gleichen das mehr als aus. Die Effekte sind nicht perfekt, da wissen die Kämpfe schon eher zu überzeugen. Aber mit am Besten funktioniert „Erste Entscheidung“ sowieso in den Wortduellen der Hauptfiguren und ein paar witzige Cameos bietet der Film auch noch. Empfehlenswert und bester Leinwand-Comic dieses Jahres.
Dieser Actionthriller kam fast ein bisschen unscheinbar daher und hat mich auch ziemlich überrascht. Dramenexperte Joe Wright wagte damit in neues Terrain und brachte nicht nur eine frische Bildsprache ins Action-Genre, sondern auch vielleicht die Schauspiel-Entdeckung des Jahres in Person der jungen Hauptdarstellerin Saoirse Ronan. Sie reist nach jahrelanger Isolationsjugend als Girl auf einer Mission im Alleingang quer durch Europa und entdeckt die Welt dabei für sich ganz neu als Variation der Grimmschen Märchen. Der Film hatte bei mir ohnehin noch einen Zusatzbonus, da er zu großen Teilen an vielen bekannten und nicht so bekannten Orten meiner Heimatstadt Berlin gedreht wurde und diese auch im Gegensatz zu anderen Filmen spannend einzusetzen weiß. Wer ist Hanna ist zusätzlich noch stark vom einem ziemlich genialen Chemical-Brothers-Soundtrack geprägt, die auch zu meinen Alltime-Favourite-Musiker zählen. Der Film passte bei mir also wie die Faust aufs Auge, aber ich glaube es ist auch ohne das einfach ein absoluter Topfilm, der jedem gefallen kann. Mehr aus dieser Richtung wäre sehr schön.
1. Black Swan
Darren Aronofsky düsteres Werk über die Welt des Balletts war direkt am Anfang des Jahres ein fast alles überschattendes Highlight, das mich noch bis weit in den Frühling hinein beschäftigte. Natalie Portman, die sich wirklich aufopferungsvoll in die Film investierte, hatte dann auch dafür sehr zu Recht den Oscar dafür bekommen. Ihr physischer Leidensprozess als Prima Ballerina ist nicht nur bedrückend sondern auch etwas schockierend. Vincent Cassell gibt dazu einmal mehr seine perfektionierte Version des verführerischen Arschlochs. Die Welt, in der sie leben, arbeiten und für die sie alles geben ist dunkel, kalt und hinterhältig gezeichnet. Mit konsequenter Beschränkung auf den Hauptcharakter führt uns Aronofsky unaufhaltsam in den Abgrund von Portmans Figur und fügt dabei schön subtil übernatürliche Elemente ein, die sich bei ihr als Wahnvorstellungen manifestieren. Ein grandioser Film über die inneren Dämonen, die uns alle so treiben.
Bei den wenigen Kinobesuchen dieses Jahr habe ich wohl noch nie so viele Highlights verpasst. Bei einigen wenigen Filmen kann ich aber auch ganz froh übers Verpassen sein, allen voran „Sucker Punch“. Dieses Machwerk könnte zukünftig auch als Pearl Harbor der Nerdkultur gelten, so billig wie es versucht dort beliebte Themen auszuschlachten.
Leid tut mir aber doch um diese verpassten Filme:
• The Ides of March - Tage des Verrats
• Mission: Impossible - Phantom Protokoll
• Eine dunkle Begierde
• Fright Night
• Captain America
• Planet der Affen: Prevolution
• Source Code
• Senna
• True Grit
Nächstes Jahr verspricht hingegen nach aktueller Trailerlage wieder deutlich besser zu werden. Die Highlights sollten für mich dabei vielleicht folgende Filme werden:
• Marvel's The Avengers
• The Amazing Spider-Man
• Prometheus
• James Bond 007 – Skyfall
• Django Unchained
• J. Edgar
• Iron Sky
• Abraham Lincoln Vampirjäger
Und natürlich allen voran die zwei Überfilme:
• The Dark Knight Rises
• Der Hobbit - Eine unerwartete Reise
2011 war für Filme allgemein und meine Beziehung dazu wirklich ein eher schlechtes Jahr. Auch das Erlebnis Kino muss wieder etwas an sich arbeiten und deutlich mehr bieten. Also schließen wir dieses tragische Kapitel möglichst schnell und hoffen auf ein bestmögliches 2012, bevor es vielleicht wirklich alles egal wird, sei es wegen Weltuntergang, Eurokrise oder anderen Katastrophen.
Frohes neues Jahr!