ange war es reichlich still um unseren Lieblingskiller. Jetzt, nach gut 6 Jahren, kehrt 47 auf die große Videospielbühne zurück. Ob es sich lohnt die Klavierseite zu zücken und die rote Krawatte zu schnüren, das lest Ihr in unserer Hitman Absolution Spielkritik.
Die Hälfte meines Lebens habe ich in Kleiderschränken, Mülltonnen, Gefriertruhen und billigen Metallschränken verbracht. Es ist schon seltsam, was die Menschen da so alles in ihren Schränken liegen lassen. Ein schimmeliges Toast da und einen von Motten zerfressener Mantel hier. Ihr glaubt es nicht. Aber diese Schränke stehen hier an jeder Ecke, sind irgendwie immer offen und ein gutes Versteck für so einen Kerl wie mich.
Ja, ohne Scheiß! Ihr fragt Euch jetzt sicherlich: “Alter, Du bist doch so ne harte Sau! Du bist doch nen Killer und so geheimnisvoll. Du bist doch sogar so krass, dass du eine Nummer auf den Hinterkopf tätowiert hast.”
„Ja, ich weiß!“, erzähle ich dann den dummen und naiven Trotteln. Doch ohne diese ganze Schrank-Scheiße würde sich mein Haltbarkeitsdatum dem einer Stubenfliege angleichen. Ich will doch eigentlich nur meine Ruhe. Doch ihr Arschlöcher da draußen zwingt mich Leute um die Ecke zubringen und immer wieder die gleichen Wege abzulaufen. Also tue ich das, was ich am Besten kann. Töten!
Gut 6 Jahre nach Hitman: Blood Money sucht Codename 47 seine Absolution. Im neusten Teil wird der Spieß erstmals umgedreht und ihr werdet vom Jäger zum Gejagten. Nach eurem ersten Auftrag, bei dem Ihr Diana Burnwood eliminieren müsst, rettet Ihr das mysteriöse Mädchen Victoria und wendet Euch damit gegen euren ehemaligen Auftraggeber. Die Agentur (ICA, International Contract Agency) ist darüber natürlich nicht besonders glücklich und jagt euch ein paar skrupellose und durchgeknallte Killer auf den Hals.
Unseren glatzköpfigen Freund steuert ihr wie gewohnt aus der Third-Person-Perspektive. Das Bewegungsrepertoire wurde im Vergleich zu den Vorgängern erweitert, sodass sich 47 auch rollen und an Wände lehnen kann. Das Ziel ist es nämlich möglichst unentdeckt zu bleiben. Hinzu kommt, dass ihr in jedem Abschnitt diverse Zielpersonen um die Ecke bringen müsst, die manchmal etwas mehr und manchmal etwas weniger mit der Hauptgeschichte verbunden sind. Hierzu stehen Euch die unterschiedlichsten Mord- und Gebrauchsgegenstände zur Verfügung. Es ist schon witzig seine Opfer mit der Klavierseite, einem Schraubenschlüssel oder einer Bong zu malträtieren. Natürlich stehen Euch auch diverse klassische Schusswaffen zur Verfügung.
Nachdem ich Diana Burnwood in ihrer Villa beseitigt hatte, ging es in Hitman endlich richtig los. Als erstes folgte ein Auftrag in Chinatown bei dem man den Gangster „King“ um die Ecke bringen muss. IO Interactive schafft es mit ihrer eigens für Hitman entwickelten Grafik-Engine wunderbar viele Menschen auf den Bildschirm zu zaubern. Das sieht wunderbar aus und das Gefühl sich durch die Menschenmassen zu seinem Ziel zu tanken ist bemerkenswert.
Direkt zu Beginn fühlte ich mich jedoch trotz meiner Hitman: Codename 47 Erfahrung etwas überfordert. Ich vergaß, dass Beobachten in Hitman das A und O ist und ein Kernelement des Spiels bildet. Dies musste ich mir Beginn erst einmal wieder schmerzlich verinnerlichen. Hier sehe ich auch die Stärke der Hitman Serie. Wenn man zum Ersten mal ein Level erkundet, kribbelt es förmlich in den Fingern. Es motiviert zudem ungemein Schwachstellen herauszufinden und seine Zielpersonen dabei auszukundschaften. Ständig bewegte ich mich im Strom der Menschenmassen und versuchte dabei unentdeckt zu bleiben. Hier schafft es Hitman all die darauf folgenden nervigen Dinge in den Hintergrund zu stellen.
Das Spiel wirft Euch zu Beginn direkt ins kalte Wasser und damit fühlte sich der Start für mich etwas holprig an, da ich weder die Routine noch die Mechanismen gelernt bzw. sie vergessen hatte. So lief ich anfangs oft blind in mein Verderben und ich fragte mich anschließend verdutzt: “Was ist denn hier gerade passiert?” Doch nach einer gewissen Eingewöhnungszeit von gut vier Stunden fühlte sich das Spiel und die Elemente immer vertrauter und besser an.
Insgesamt bietet Absolution rund 20 Missionen und diese führen Euch an Orte wie zum Beispiel ein Hotel, einen Stripclub, in die Wüste und eine Forschungsstation um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen. Es wechseln sich hierbei lineare schlauchartige Abschnitte mit großen offenen Arealen ab. Das Tempo, das die Entwickler bestimmen, passt. Es wechseln schnelle “Auf der Flucht”-artige Abschnitte mit etwas länger dauernden komplexen Missionen. Manchmal fühlten sich die Abschnitte trotz der großen Abwechslung nicht besonders rund an und ich fragte mich: Warum bin ich gerade in einem Stripclub? Erzähltechnisch macht dies gerade wenig Sinn und ich hatte nur das Gefühl, dass die Entwickler nur einen Haken hinter dem Stichpunkt “Stripclub” auf ihrer langen Brainstorming-Liste machen wollten.
Die Geschichte, die sich durch die 20 Kapitel windet, wirkte auf mich leider etwas konstruiert, ziemlich trivial und als gewollt „cool“. Hier versucht sich IO Interactive in der Charakterisierung der Hauptakteure und bei der Entwicklung der Geschichte an Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zu orientieren. Hierbei bietet die Story überzeichnete und fast schon komödiantische Charaktere. Oft hatte ich das Gefühl, dass IO Interactive die Geschichte bewusst auf “Cool” getrimmt hat. Das geht meiner Meinung leider nicht ganz auf, wirkt unfreiwillig komisch und richtet sich irgendwie an ein pubertierendes Klientel. Die Überzeichnung der Charaktere wäre in meinen Augen auch kein Problem gewesen, hätte IO Interactive dies deutlich konsequenter durchgezogen. Dadurch dass die Geschichte und ihre Charaktere so cheesy sind, kollidiert dies mit dem trockenem und knallhartem Spielprinzip.
Noch ein letztes Wort zu der grafischen Präsentation von Absolution. Die Farbstimmung wirkte manchmal etwas unnatürlich wenn zum Beispiel Level in wunderbare Lila- und Blautöne getaucht werden. Trotzdem besitzt die Grafik durchaus ihren eigenen Charme. Der Detailgrad ist durchgehend hoch und führt dazu, dass die Atmosphäre gut eingefangen wird und dabei dicht bleibt. Steht 47 manchmal im Regen sieht das richtig phantastisch aus. Auch wenn sich Lichtkegel durch alte verrostete Rohre durchquetschen sieht Hitman fast wie ein Titel der nächsten Generation aus. Das führte dazu, dass ich oftmals die Gegner und Aufgaben ignorierte und einfach nur durch die schön gestalteten Level geschlendert bin.
Neben der gelungenen Präsentation wurde zudem ein etwas theatralischer Soundtrack für das Spiel komponiert. Die deutsche Umsetzung hat leider auch ein paar Schwächen. So ist der Pegel nicht immer im selben Bereich und der Sound ist in den Zwischensequenzen oftmals etwas leiser als im Spiel. Trotzdem machen die deutschen Synchronsprecher ihren Job gut und tragen ihren Teil zur schönen Atmosphäre bei.