Batman: Arkham City Review: Das Zerbrechen eines Helden - pixelmonsters.de

Das Zerbrechen eines Helden

von Martin Tschitschke, 02. Mai 2012

Schon der erste Teil der neuen Batman-Reihe des Londoner Entwicklers Rocksteady avancierte zum Instant-Überraschungs-Meisterwerk. Ob man eine solche Qualität halten kann ist immer schwierig. Wie man sie aber noch toppt und warum manchmal mehr nicht besser ist, erklärt das ausführliche Review.

Was macht man wenn in Städten das Verbrechen überhandnimmt? Schon einige reale Städte wie New York, London oder die Städte Nord-Mexikos mussten sich ernsthaft mit dieser Problematik auseinandersetzen und haben teils ihre Lösungen dafür gefunden. Oft genug dürfte die Stammtisch-Reaktion darauf aber immer noch lauten: „Einfach alle wegsperren und den Schlüssel wegwerfen!“ Die Action-Fortsetzung Batman: Arkham City nimmt sich nun diesen wirren Gedanken zu Herzen und transportiert ihn in das Comic-Universum des dunklen Rächers, der sich zuletzt vor allem im Kino zu ganz neuen Höhen aufschwingen konnte.

Das bei so einer Abriegelung eines „Verbrecher“-Stadtteils nicht nur ein riesiger Spielplatz für selbst ernannte Superhelden und Superschurken entsteht, sondern auch eine dunkle, unheimliche Dystopie einer modernen Großstadt zeigt diese außergewöhnliche Action-Adventure.

Arkham City beginnt sogleich auch mit einer inszenatorischen Glanzleistung, die, das gleich vorab gesagt, zu den herausstehenden absoluten Mega-Höhepunkten der durchweg sehr guten Darstellung des Spiels gehört. Batmans öffentliches Alter Ego Bruce Wayne gibt eine Pressekonferenz vor den Toren von Arkham City um seine ablehnende Position dem Mega-Knast gegenüber kund zu tun. Der Betreiber der Anstalt und Wayne’s geheimer Feind Prof. Hugo Strange nehmen die Situation dann auch gleich zum Anlass ihn brutal zu verhaften und ins Arkham-Gefängnis zu werfen. Zu Waynes Überraschung erfährt man während eines Ladebildschirms, dass Strange sehr wohl weiß, dass Wayne hinter Batmans Maske steckt und ihn deshalb als Verbrecher wegsperrt. Nach der Einweisung fällt man mehr oder minder zufällig direkt dem Pinguin (mit Flaschenboden-Glasauge!) vor die Füße, der ebenfalls nicht besonders gut auf Waynes Familie zu sprechen ist. Somit erhält man die Chance das doch sehr tiefe und komplexe Kampfsystem des Spiels kennenzulernen. Allerdings ist man so direkt am Anfang davon noch recht überfordert und Vorwissen aus dem Vorgänger hilft hier schon sehr weiter.

Nachdem Wayne dem Pinguin entkommen konnte und sich von Butler Alfred eine Drohne für Batmans Anzug hat schicken lassen, ist er dank allerlei technischer Spielereien einigermaßen gerüstet für seinen Einsatz in Arkham. Dank dieser kann er direkt einen Funkspruch des Wachpersonals auffangen, der ihm verrät, dass der entstellte Ganove und Ex-Anwalt Two-Face Batmans agile Freundin Catwoman einfangen konnte und sie in einem vordeterminiertem Schauprozess im alten Gerichtsgebäude verurteilen will. Und so hat der Spieler in dieser ersten Rettungsmission gleich die Gelegenheit diese beiden wichtigen Charaktere des Batman-Universums kennenzulernen. Man merkt schon in dieser ersten Dreiviertelstunde des Spiels, dass hier richtig geklotzt wird mit der Inszenierung und schieren Anzahl bekannter Charaktere. Und das Beste dabei ist, dass die Wenigsten dieser fast komplett vertretenen Garde der Batman-Welt nur Staffage sind. Die Darstellung der Charaktermodelle ist schon allererste Güte, aber die Synchronisation der Figuren ist bahnbrechend und setzt neue Maßstäbe, insbesondere die des Jokers für dessen Stimme der Schauspieler Mark Hamill (Star Wars) noch einmal überzeugt werden konnte. Die deutsche Synchronisation ist auch wirklich sehr gelungen, kann natürlich aber mit solchen Größen nicht ganz mithalten. Lediglich das Umstellen der Spielsprache ist am PC unnötig kompliziert, da das nicht übers STEAM-Menü funktioniert.

Nach den ersten Einführungsmissionen nimmt man sich höchstwahrscheinlich auch erst einmal richtig Zeit die überbordende, grandiose und frei begehbare Spielwelt von Arkham City etwas genauer zu betrachten. Die sehr gute Grafik, die überraschenderweise meist flüssig läuft, schafft es eine schön bedrückende Atmosphäre der Stadt zu zeichnen, welche es häufig sogar schafft die letzten Batman-Filme von Christopher Nolan an Düsterheit zu übertreffen. Der Einfluss dieser Werke auf die allgemeine Stimmung ist ohnehin klar zu erkennen, die eigentliche Story ist allerdings eine Idee des erfahrenen Comic- und Animationsfilm-Autors Paul Dini von DC Comics. Diese setzt die Story des ersten Teils zeitnah fort, überbrückt durch die kurze Arkham-City-Comicreihe, die ebenfalls von Dini stammt. Die Stadt im Spiel präsentiert sich indes als riesiger Spielplatz, der erforscht werden will. Es ist nämlich in jeder Ecke mindestens ein Geheimnis oder ein für Nebenmissionen relevanter Schauplatz versteckt.

Hiermit setzt sich Arkham City angenehm von zum Beispiel der Assassis-Creed-Serie ab, die zwar viel größere Städte bietet, diese aber mit kaum mehr als sinnlosem Sammelgut zu füllen weiß. Die schnelle Fortbewegung durch diese Großwelt erfolgt bei Batman dann auch mit viel stärkerem Fokus auf technische Hilfsmittel als durch reine körperliche Artistik. Hauptgadget ist dabei sein Greif- und Zughaken, der ihn auf und über sämtlich Dachkanten der Stadt zieht. Genauso wichtig ist Batmans ikonischer Umhang, der ihm gleichzeitig als Gleitschirm dient um größere Strecken zu überbrücken und sich von Häusern zu stürzen. Die perfekte Beherrschung aller Bewegungen bei diesen Flugeinlagen ist dabei fast genauso komplex und schwierig wie das Kampfsystem, aber dennoch nicht unfair. Es ist nur leider der einzige Punkt bei dem die Maus-Tastatur-Steuerung auf dem PC einem Gamepad vielleicht etwas nachsteht. (Nervig ist allerdings auch noch, dass es im Stadtzentrum eine bis zum Ende gesperrte Zone zur Überwachung von Arkham gibt, um die man immer herum navigieren muss.)

Wenn man sich dann so mit Hilfe seiner Gadgets durch die Stadt schwingt, dass Spider-Man ganz neidisch werden könnte, fallen einem unweigerlich bald erste grüne Fragezeichen auf, die in Arkham verteilt sind. Grüne Fragezeichen können als Markenzeichen natürlich nur vom notorischen Riddler stammen. Diese gilt es einzusammeln um einerseits Erfahrungspunkte zu gewinnen, aber vor allem als Voraussetzung zur Fortführung der Riddler-Nebenmission, die davon handelt, dass er mit Hilfe von Geiseln in tödlichen Rätselkammern ein fieses Spiel mit Batman spielt. Diese Sammelfragezeichen sind allerdings alle noch in eigene fiese Rätsel eingebunden, die zumeist simpel zu lösen sind. Soweit klingt die Riddler-Geschichte ja noch nach einer sinnvoll durchdachten Gameplay-Idee um das Erforschen der Stadt interessant zu machen. Bis man dann erkennt, dass es von diesen Sammelrätseln geschlagene 400 (!) gibt, Catwoman-spezifische nicht mitgerechnet, und dass man diese zwar finden aber nicht immer sofort lösen kann. Zum Lösen der Rätsel braucht man nämlich oft auch Gadgets, die man erst im Verlauf oder gar am Ende der Kampagne erhält. So steht man oft vor den Rätseln und zerbricht sich ewig den Kopf darüber, wie man da jetzt rankommen soll, ohne zu wissen, dass es später ein Hilfsgerät dafür geben wird und ohne zu wissen, was dieses können wird. Diese Situationen können schon arg frusten, wenn man dann erstmal kurzzeitig aufgegeben muss. Hier wäre weniger ebenso mehr gewesen wie was die Anzahl der Gadgets selbst angeht. Davon gibt es 12 Stück und spätestens die letzten vier davon braucht man dann nur noch sehr selten. Einige wirken auch als Idee nicht besonders passend für Batman. Als Beispiele seien nur einmal Minenentschärfer und Vereisungsgranaten genannt. Anstatt die Technik von Mister Freeze aufzutragen, um damit z.B. Eisschollen im Wasser zu erzeugen, hätte Batman auch die nicht vorhandene Fähigkeit zu Schwimmen besser zu Gesicht gestanden.

Die zwei zentralen Kritikpunkte des letzten Absatzes sind jedoch die einzigen ernstzunehmenden Punkte, die man Arkham City wirklich übel nehmen muss. Ansonsten kann man sich noch darüber wundern, dass der Entwickler Rocksteady auf der Schurkenseite wirklich fast jeden Gegenspieler Batmans auflaufen lässt, der jemals eine Rolle gespielt hat. Dabei müssen einige sich leider mit wirklich minimalen Cameos abfinden, auf der anderen Seite fehlen zwei bis drei Figuren aus den Filmen völlig, wenn man ihnen den Ansatz unterstellt wirklich für jeden Hardcore-Fan einen Happen bereitzuhalten.

Beim Kampfsystem kann man den gleichen Kritikpunkt ebenfalls ansetzen. Das erfreulich eingängige System erreicht zwar fast die Tiefe modernen Beat’em’Ups (Batman benutzt bekanntlich keine Schusswaffen), ist knackig und macht durchaus viel Spaß. Dennoch wirken die auch hier vielseitig einsetzbaren 12 Gadgets etwas überladen. Schlimmer ist jedoch etwas anderes, was auftritt, sobald man die interessant gestalteten Innenlevels betritt. Dann verändert sich das ganze Kampf-Gameplay etwas in Richtung zu mehr Schleichpassagen in den größeren Räumen, nicht zuletzt weil die Gegner immer stärker werden. Und obwohl man gegen Kampagnenende immer mehr Spielzeuge gegen die Gegner hat, kann man sie nur bedingt einsetzen ohne Aufzufallen. So bleibt es beim Nacheinander-Herauspicken einzelner Gegner um nicht entdeckt zu werden. Dieses eigentlich spannende Element hat der Spieler am Ende allerdings so oft wiederholt, dass diese Räume langsam langweilen. Besonders fällt auf das beim Warten darauf, dass die Haufenbildung der Gegner um den zuletzt ausgeschalteten Kameraden sich auflöst, damit weiter unbemerkt gehen sie vorgehen kann.

Das Kampfsystem und das brillante Talent Rocksteadys zur Inszenierung kommen allerdings genial zusammen bei den Bosskämpfen. Diese sind abwechslungsreich und oft auch nur mit Intelligenz zu gewinnen, Quicktime-Tastendrück-Orgien gibt es löblicherweise nicht. Insofern sehen solche Begegnungen fast genauso gut aus, spielen sich aber anspruchsvoller als ein God of War. Oft sind es aber nur Stellvertreterkämpfe, da die eigentlichen Bösewichte wie z.B. der Penguin selbst ziemliche Schwächlinge sind. Besonders positiv heraus stechen die Kämpfe gegen Raz’al Ghul und Mister Freeze, die mit Rätselelemente glänzen. Freeze ist ohnehin einer der interessantesten Charaktere (nach dem Joker natürlich), da er kaum angreifbar ist, zudem eigentlich ein Guter ist und Batman auch gegen eine heimtückische Vergiftung hilft. Ohne zuviel zu verraten, sollte noch erwähnt, dass mit den grandios inszenierten, mehrstufigen Endkampf und darauf folgende Auflösung der Story ein Meisterwerk geschaffen wurde, was das Spiel noch ein Weile im Gedächtnis nachwirken lässt.

Was die künstlerischen Aspekte von Rocksteadys Batman-Abenteuer angeht zieht der Entwickler wirklich alle Register schafft es wirklich aus der oftmals im gleichförmigen Look erscheinenden Unreal3-Engine ein stimmiges, unheimlich schönes Gesamtbild zu zaubern. Es stimmt dabei einfach alles, von detaillierten Charaktermodellen, über Wettereffekte bis hin zur stimmigen Beleuchtung. Diese und die grandiose Weitsicht lassen Gotham City als den Moloch erscheinen, den man sich nur seinen schlimmsten Alpträumen vorstellen kann. In einem späteren Level unterhalb der Stadt, Old Gotham, zeigt sich mit einem neuem, ganz anderen faszinierenden Look nochmal, wie vielseitig talentiert die Grafiker Rocksteadys‘ sind.

Dabei ist zu erwähnen, dass das Spiel schon unter DirectX9 im Konsolenlook diese Brillanz erreicht. Für noch bessere Licht- und Textureffekte (Tessalation) gibt es auf dem PC zwar den DirectX11-Modus, dieser lief beim unserem Test allerdings erst nach dem letzten Patch ca. vier Monate nach dem Release des Spiels fehlerfrei. Obwohl die PC-Version nahezu problemlos von STEAM unterstützt wird, ist die zusätzliche Verknüpfung zu Games for Windows Live trotzdem notwendig und deren Sinn werden einige Gamer vielleicht bezweifeln. Genauso wie die Grafik fährt Arkham City eine grandiose Soundkulisse mit sehr präsenten Geräuschen und knalligen Effekten auf. Zusammen mit den perfekten Stimmen trägt beides nochmal erheblich zum Kino-Leinwand-Erlebnis des Spiels bei.

Als Dreingabe für alle Nicht-Gebrauchtkäufer des Spiels gibt es den ersten Download-Content mit Catwoman als spielbaren Charakter umsonst dazu. Dieser Weg stellt eine noch relativ faire Maßnahme gegen den Gebrauchtmarkt dar. Der Inhalt des DLC webt sich dann in zwei Episoden in die Hauptstory von Batman ein und Selina Kyle aka Catwoman kann nach Ende der Story frei gegen Batman gewechselt werden. In ihrer Storyline geht es vor allem um das Stehlen von Diebesgut oder die Wiederbeschaffung verlorener Beute. Dabei laufen ihr hauptsächlich Two-Face und Poison Ivy als Gegner über den Weg. Obwohl diese Episoden etwas unvermittelt eingeworfen werden ist Catwoman doch ein sehr interessanter Charakter, der noch etwas agiler ist als der im Vergleich träge, zähe Batman. Und dadurch, dass die Katze auch nur eine sehr viel geringe Anzahl an Gadgets (u.a. ihre Peitsche) verwendet, sind ihre Abschnitte fast noch etwas cooler, weil reduzierter.

Batman: Arkham City

Entwickler Rocksteady Studios
Publisher Square-Enix
Genre Action-Adventure
dt. Version gekürzt nein
Release 25.11.2011
System PC
Fazit von ComancheMan

Das Batman-Abenteuer um den Gefängnis-Stadtteil Arkham ist unabhängig vom Vorgänger ein geniales und vor allem grandios inszeniertes Action-Adventure geworden. Die Story, die Sprecher, die Grafik, fast alles ist hier auf Blockbuster-Niveau, vielleicht sogar besser als manches Machwerk was in den letzten Jahren aus Hollywood kam. Das Konzept funktioniert am besten beim Spielen der Hauptstory und das mit möglichst wenig Ablenkung davon. Zwar sind die vielen Nebenmissionen und die Masse an Rätseln auch cool gemacht, aber jeweils die Hälfte davon hätte locker gereicht. Die Stadt hätte gar nicht so vollgestopft sein müssen, genauso hätten weniger Gadgets auch gereicht. Es erweckt fast den Eindruck, als ob die Entwickler nicht wussten, ob sie ein Story-basiertes Spiel oder ein Open-World-Game machen wollten. Auch bei den ausufernden Gastauftritten der Bösewichte des Universums wurde sicher etwas Potenzial bei denen verschenkt, die nur kurz auftreten.

Trotz der Kritikpunkte ist Arkham City nahe der Perfektion, das aktuell beste Action-Adventure ist es ohnehin. Wahrscheinlich ist es sogar das beste Genre-Spiel seit mehr als fünf Jahren und insbesondere die Macher der Assassins-Creed-Reihe sollten sich hier mal eine ganz dicke Scheibe abschneiden. Am meisten hat mich beeindruckt wie erwachsen und düster das Spiel ist und wie diese Aspekte in einen gelungenes Gesamtwerk verwoben werden und dabei trotzdem eine einzigartige Comic-Atmosphäre erhalten bleibt.

9