Stealth-Games, klassisch oder modern?
Das Stealth-Taktik-Genre erfreut sich seit Jahren konstanter Beliebtheit, obwohl es im Kern immer noch stark an seinen Wurzeln aus den 90er Jahren orientiert ist. Auf der diesjährigen Messe gab es jedoch nicht nur eine Rückkehr zu einem der Ursprünge des Genres, sondern auch einen ganz anderen, modernen Ansatz: Das Prequel Commandos Origins und der neue Indie Eriksholm trafen aufeinander.
Commandos Origins
Mit der Commandos-Serie verbrachte ich Anfang der 2000er Jahre Stunden damit, die schönen und knackigen Taktikrätsel zu lösen und entdeckte dabei meine Vorliebe für das Subgenre. Kalypso hat sich zuletzt mit dem Remake des ersten Teils als respektvoller Verwalter der Marke erwiesen, und nun will sich der deutsche Publisher an ein weiteres, eigenes Kapitel der Geschichte um die Kommandotruppe hinter den feindlichen Nazi-Linien wagen.
Die Entscheidung für ein Prequel mit dem Hintergrund des Zusammenkommens der einzelnen Experten erscheint schlau, weil es noch so viel Spielraum lässt. Alle sechs Charaktere des Originalspiels finden sich hier wieder und werden nach und nach eingeführt, beginnend mit der Rekrutierung des Green Baret durch den Pionier in der ersten Mission.
Die Entwickler machten deutlich, dass es ihnen ohnehin sehr wichtig ist, den Geist und das Spielsystem der Serie möglichst originalgetreu wiederzugeben. Auch wenn sie natürlich heute notwendige und sinnvolle Anpassungen vornehmen werden.
Wir bekamen schon die sechste Mission mit drei der Spezialistenkämpfer gezeigt. Sie reiht sich ein in eine ganze Reihe spannender Schauplätze rund um die damaligen Kriegsschauplätze des Zweiten Weltkriegs. Die Mission spielt auf den Kanalinseln vor Frankreich, wo deutsche Radaranlagen sabotiert werden müssen, um der Royal Air Force das Leben zu erleichtern. In einem Schnelldurchlauf durch die sehr umfangreiche Map wurden uns die Fähigkeiten der Charaktere und deren Bedienung gezeigt. Die Steuerung wurde deutlich verbessert und auch um eine aktuelle Gamepad-Unterstützung erweitert. Wir konnten auch auf der Karte die verschiedenen möglichen Wege zum Erfolg sehen und sogar die Innenräume der Häuser, die wertvolle Zusatzinformationen und Hintergründe auch zu den realen Vorbildern der Missionen im Spiel beherbergen. Obwohl es sich um eine eher exemplarische Standardmission handelte, gab es auch in dieser Geheimnisse und Zusatzziele zu entdecken, die die Hauptmission unter gewissen Umständen erheblich vereinfachen konnten.
In einer weiteren Mission in Afrika konnte man jedoch bereits sehen, dass auch der Einsatz von Fahrzeugen und Maschinen viele Möglichkeiten eröffnet und das Spielsystem abwechslungsreich erweitert. Die insgesamt 10 Missionen sollten also sehr unterhaltsam sein, wenn sie dem Gezeigten entsprechen. Das Tolle an Commandos ist und war zudem sicherlich die Flexibilität, die auch mal rabiatere Methoden zulässt.
Die Grafik und das Design der Karten haben uns schon jetzt sehr gut gefallen und zusammen mit der einfachen, aber liebevollen und detailreichen Inszenierung sind wir sicher, dass auch die anderen Missionen allen Taktikern und vor allem alten Commandos-Fans gefallen werden. Letztere können ihre Liebe zur Taktik nun sogar in einem Multiplayer-Modus teilen, der sowohl online als auch lokal Koop-Missionen zulässt, was insbesondere die Verkettung von Fallen noch spaßiger machen dürfte.
Commandos Origins Gameplay Trailer
Bei aller Liebe zur unterhaltsamen Commandos-Formel sollte man sich trotz der vielen und sinnvollen Neuerungen darüber im Klaren sein, dass es sich bei Origins um ein sehr klassisches, wenn auch erneuertes Spielprinzip handelt.
Wer sich für modernere Umsetzungen des Genres interessiert, sollte auf jeden Fall einen Blick auf das überraschend grandios inszenierte Eriksholm werfen.
Eriksholm
Das neue Taktik-Adventure des kleinen schwedischen Studios River End Games ist zwar offensichtlich im selben Genre angesiedelt zu sein, geht aber vor allem in der Erzählgestaltung einen ganz anderen, sehr intensiven und fesselnden Weg. Die u.a. von Half-Life inspirierte Inszenierung setzt so sehr auf starke englische Schauspieler, dass man sich bisweilen in einem Film-Adventure wähnt.
Es geht um die junge Hanna, die mit ihrem Bruder Herman in der schwedischen Stadt Eriksholm um 1900 lebt und sich gerade von einer schweren Krankheit erholt hat. In ihrer Nachbarschaft hat es einige Umwälzungen gegeben, denn die Schiffbauer müssen damit zurechtkommen, dass nun andere Schiffe gefragt sind und viel Armut entstanden ist. Die Geschwister sind auf sich allein gestellt und sehr verbunden. Nachdem Herman eines Tages nicht nach Hause zurückkommt, ist die Mission für Hanna ihn wiederzufinden. Das scheint sie auch die meiste Zeit im Spiel anzutreiben, aber die Andeutungen in der PR deuten darauf hin, dass sie noch Verantwortung für ihre ganze Stadt übernehmen werden muss.
Wie die Charaktere fühlen und zueinander stehen, sieht man nicht nur sofort durch das sehr professionelle Voice-Acting, sondern auch direkt im unglaublich krassen filmischen Intro, das per Performance-Capture gefilmt wurde. Diese Art der Darstellung von Emotionen, Charakteren und Gefühlen ist sicherlich die treibende Kraft hinter dem Spiel Eriksholm. Im Gegensatz zu anderen Vertretern des Genres geht es nicht nur darum, namenlose Gegner mit möglichst vielen kreativen Werkzeugen auszuschalten, sondern man ist im Gegenteil eher minimal ausgestattet und muss sich seinen Weg durch Dialogoptionen, Interaktion mit NPCs und intensive Schleichpassagen bahnen.
Dadurch, dass der Spieler auf einfache Mittel zurückgeworfen wird, ist auch die Bindung zu den Charakteren viel stärker, als es sonst in dieser Perspektive und in diesem Genre üblich ist. Gerade dieser Punkt hat uns bei Eriksholm wirklich überrascht und begeistert. Es ist nicht nur unglaublich detailliert und spannend inszeniert, nein, es zieht die Spielenden auch tief in die Charaktere und die Geschehnisse jeder einzelnen Herausforderung hinein. Als Beispiel wurden uns Schleichpassagen gezeigt, in denen die Gegner geschickt miteinander interagieren und sich die Schlinge immer weiter zuzieht. Ein anderes Beispiel war der Einsatz von Geräuschen, um die eigene Bewegung zu verschleiern, indem man z.B. einen Metallboden nur überwinden kann, weil ein lauter Zug in der Nähe vorbeifährt.
Nach den ersten einfachen Einführungskarten, in denen Hanna alleine aus ihrem Viertel herausfinden muss, kommen im Laufe des Spiels zwei weitere spielbare Charaktere hinzu: Zum einen ihr Bruder Herman und zum anderen die sympathische und bekannte Gang-Anführerin Alva, die vor allem über offensivere Angriffsmöglichkeiten mit Fernkampfwaffen verfügt. Im späteren Spielverlauf wird es dann vor allem darauf ankommen, die Talente der einzelnen Charaktere aufeinander abzustimmen und den Gegnern genretypisch Fallen zu stellen.
In welche Richtung sich das Spiel letztendlich entwickeln wird, konnte uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau gesagt werden. Klar ist, dass die intensive Inszenierung des Rätselns und Versteckens der interessanten Figuren schon jetzt sehr gelungen ist und den Entwicklern am Herzen lag. Dass sich Eriksholm damit von der Konkurrenz absetzt, liegt auf der Hand und es könnte frischen Wind in das Genre bringen, wie es Limbo einst für die Jump'n'Runs geschafft hat.
Auch wenn Eriksholm vielleicht moderner wirkt und uns sofort begeistert hat, sind wir definitiv sehr gespannt auf beide neue Genre-Vertreter. Es ist toll zu sehen, dass das isometrische Puzzle-Stealth-Genre mittlerweile so vielfältig ist und nach wie vor so lebendig bleibt.