Hotline Miami Review: Willkommen in den 80ern, Massenmörder Simulation inklusive. - pixelmonsters.de
Willkommen
in den 80ern,
Massenmörder Simulation
inklusive.
von Alexander Kircheis, 22. November 2012
Mit Hotline Miami schlagen die amerikanischen Psychopathen aus den 80ern auf Euren Bildschirmen in Retro-Pixeloptik auf. Ob sich der 2D-Top-Down Shooter lohnt, lest ihr in unserem Hotline Miami Test.

Das die 80er Jahre gerade super hip und angesagt sind, merkt man nicht nur an den ganzen trashigen “Bad-Taste-Partys”. Nein, auch im kulturellen gibt es mittlerweile viele Genrereferenzen, die die 80er Jahre zitieren. Die 80er sind beliebter den je und feiern gerade ein deftiges Revival.
Diese Frage sollte man sich zu Beginn des Spiels einmal selbst stellen.
So lief zum Beispiel im Jahr 2011 der Film “Drive” im Kino. Ein Film, der durch seine dichte Atmosphäre, prägnanten Gewaltausbrüchen und einen herausragenden Ryan Gosling begeistern konnte. Was hat “Drive” mit “Hotline Miami” zu tun? Der Zusammenhang zwischen beiden Medien ist hierbei gar nicht soweit hergeholt, da sich die Entwickler durch “Drive” inspiriert hat und damit “Hotline Miami” von der Atmosphäre und vom Gefühl her in eine ähnliche Richtung geht.

Hotline Miami spielt, wie der Name es schon verrät in Miami im Jahr 1989. Die Stadt ist düster und Neonfarben durchziehen sie. Das Stadtbild und die Menschen sind alle von einer gewissen Hässlichkeit geprägt. Überall sieht man Dreck, brennende Mülltonnen, Blut und Abschaum. Das Spiel ist hierbei ein klassischer Top-Down-Shooter wie wir diese vor Jahren unzählige Male gespielt haben. Da hießen die Spiele noch Alien Breed (Amiga 500, 1991), True Lies (SNES, 1994) oder The Chaos Engine (Amiga 500, 1993). Hotline Miami erinnert von seiner Art her auch an das erste Grand Theft Auto aus dem Jahr 1997. Die große Ära der 2D Top-Down-Shooter nahm jedoch ein ultraschnelles Ende als sich 3D-Grafik und Technik durchgesetzt hatten.

Das Spielprinzip von Hotline Miami wurde vom Entwickler recht einfach gehalten. Ihr steuert einen namenlosen Charakter aus der Vogelperspektive mit den WASD-Tasten und lauft hierbei quer durch unzählige Wohnblocks und tötet dabei eine hohe Anzahl an Gegnern. Zu Beginn jedes Kapitels bekommt Ihr einen Anruf von unterschiedlichen Personen die Euch darum bitten an einem bestimmten Ort aufzuräumen. Daraufhin steigt ihr in Euren Delorean (ja genau, dass Auto aus “Zurück in die Zukunft”) und fahrt damit zu dem Ort in dem die üblen Burschen hausen. Eure Feinde werden zu Beginn nicht weiter charakterisiert und Ihr habt erst einmal keinen Schimmer, wenn ihr da überhaupt um die Ecke bringt... ihr stürmt daraufhin einfach ein Gebäude und schießt auf alles was sich bewegt.

Der Launch Trailer orientiert sich am Film Drive.
Das Spiel ist von seinem Kontext her sehr gewalttätig. Selbst ein Charles Bronson, der Ende der 70er in “Ein Mann sieht rot” durch die Straßen zog, braucht sich hier nicht zu verstecken. Gewalt und deren Andeutungen sind an jeder Ecke zu finden. Als ihr Euren ersten “Kill” durchführt und der Hauptcharakter seine verschleiernde Maske abnimmt, muss dieser erst einmal kotzen.

Diese Szene kann man als Metapher für das ganze Spiel sehen. Auf der einen Seite ist es widerwärtig mit welcher Brutalität und Feigheit der Hauptcharakter zu Werke geht und auf der anderen Seite sollte sich der Spieler einmal selbst fragen: Was tue ich hier eigentlich? Selbst zum Ende hin, wenn der Spieler nach getaner "Arbeit" auf eine Antwort für seine Taten von seiten des Entwickler wartet, strecken Euch Jonatan Söderström (Programmierer/Artist) und Dennis Wedin (Artist) genüsslich den Mittelfinger entgegen. Danke!

Irgendwann ist der Tatort nur noch durch Blut und abgetrennten Teilen der Opfer bedeckt. Überall liegen Leichen herum, denen der Bauch aufgeschnitten, der Kopf zertrümmert und der Körper von einer Shotgun durchlöchert wurden. Hotline Miami bietet hierbei unzählige Sterbeanimationen und man merkt es dem Entwickler Dennaton Games an, dass sie hier mit viel Zynismus, Kreativität und Spaß an die Arbeit gegangen sind. Richtig krass wird das Spiel dann, wenn die Opfer benommen auf dem Boden liegen/kriechen und der Spieler die Möglichkeit hat diese zu endgültig zu beseitigen. Diese Art der Exekution wirkt wie ein Schlag in die Magengegend. Die Gewalt wird hierbei zwar “nur” als Pixelgrafik dargestellt. Doch die Immersion zwischen der Realität und dem Videospiel ist heutzutage doch recht fragwürdig, wenn man bedenkt, dass überall auf der Welt, Menschen in der Realität totgetreten werden.
Nach getaner "Arbeit" sieht es oftmals so aus.

Das Absurde an Hotline Miami ist jedoch, dass es der Entwickler schafft, dem Spieler schon nach wenigen Minuten Spaß an der ganzen Gewaltorgie und der Geschwindigkeit zu vermitteln. Die Action und das Gameplay sind derart schnell und oftmals handelt man einfach nur noch intuitiv um zu überleben. Wenn man dann einmal einen Fehler begeht und einen Gegner verfehlt, kann man die Passage im Prinzip sofort neu starten. Denn in Hotline Miami sterbt ihr genauso schnell ihr tötet. Das Interessante daran ist, dass der Entwickler Dennaton Games nach dem Ableben kein Tempo aus dem Spiel herausnimmt sondern den Spieler immer und immer wieder dazu pusht das Level neu zu starten bis man die Stage endlich geklärt hat. Hotline Miami ist sozusagen das “Super Meat Boy” der Top-Down-Shooter.

Durch das schnelle Gameplay und der Tatsache, dass es in dem Spiel so gut wie keine Pause gibt, wirkt Hotline Miami überaus schnell und bisweilen exzessiv. Ich hatte das Gefühl, dass ich wie im Rausch durch die Level gleite. Irgenwann nach Stunden des Spielens verschwimmt immer mehr die Wahrnehmung zwischen der Realität und dem Morden.

“Rausch” ist ein gutes Stichwort. Der Shooter steuert sich nämlich derart schnell, dass man sich schnell wie auf einem Trip befindet. Wenn Ihr dann noch den treibenden Soundtrack lautstark dazu hört und sich die Sicht auf dem Monitor dazu leicht verzerrt, die Farben psychedelisch werden und Streamlines über den Bildschirm flattern, wirkt das Spiel wie ein langer LSD-Trip.

In gewisser Weise bedient Hotline Miami ähnlich wie die Romanvorlage „American Psycho“ von Bret Easton Ellis die unterschiedlichsten Gewaltfantasien des Lesers / Betrachters und dieser wird in einen nimmer endenden Strudel voller Gewalt katapultiert. Das Gute daran ist, dass es der Entwickler sogar schafft, dass sich der Betrachter mit seinen virtuellen “Morden” auseinander setzen muss. Nach getaner “Arbeit” begebt Ihr euch zu eurem Auto zurück und es fühlt sich zynisch und seltsam an, durch die ganzen Blutlachen und Leichenberge zu laufen und sein Werk noch einmal zu betrachten. Im Verlauf des Spiels kann man immer mehr Masken freischalten. Die Masken verbergen nicht nur Eure Identität sondern verleihen Euch unterschiedliche Fähigkeiten. Mit der Maske Ted greifen Euch zum Beispiel keine Hunde mehr an und mit der Maske Tony könnt ihr Eure Gegenspieler schneller exekutieren. Insgesamt könnt Ihr bis zu 26 unterschiedliche Masken im Verlauf der 19 Kapitel langen Geschichte freischalten.

Für jeden erfolgreichen “Kill” und Aktion erhaltet Ihr im Spiel Punkte für Euren Highscore. Schnell aufeinanderfolgende “Kills” werden sogar mit einem Multiplikator belohnt. Nach jedem Kapitel werden die Punkte zu einem Highscore zusammengerechnet und je höher Eure Endpunktzahl ausfällt um so mehr Waffen und Masken werden für Euch freigeschaltet. Der Spieler hat im Verlauf von Hotline Miami folglich immer mehr Zugriff auf die unterschiedlichsten Waffen. Zu Beginn schlagt Ihr Euch noch mit einem Baseball- und Golfschläger durch die Gegner. Später kommen andere Feuerwaffen, Stichwaffen, Katana’s und Glasflaschen hinzu.

Nach jedem Gemetzel fahrt Ihr unter stylischer Mucke zu Euren Appartement oder in die Stadt und erlebt etwas “Normales”. Ihr geht in die Videothek oder holt Euch eine Pizza. Diese Idylle wird schon bald durch surreale Passagen durchbrochen nachdem Euch Mord und Gewaltfantasien in die Realität verfolgen. Das Spiel gaukelt Euch damit eine heile “Realität” vor. Diese “Realität” verschwimmt jedoch und man weiß nicht so recht was Wirklichkeit und was Spiel ist.
Untermalt wird Hotline Miami durch einen treibenden Elektro-Soundtrack und ist dabei eine Mischung aus tiefen Beats die sich mit 80er Jahre Synthesizer-Pop abwechseln. Das Spiel enthält auch Passagen in denen die Musik sehr verträumt daherkommt. Musiker wie Jasper Byrne und M.O.O.N. sorgen für einen qualitativ starken und atmosphärisch dichten Soundtrack, der hervorragend zum Retro-Look und Zeitgeist des Spiels passt. Den Soundtrack stellt der Entwickler übrigens auf Soundcloud zur Verfügung. Reinhören lohnt sich also.
Hotline Miami

Entwickler Dennaton Games
Publisher -
Genre Action
dt. Version gekürzt nein
Release 23.10.2012
System
Mac
PC
PlayStation 3
PlayStation Vita
Fazit von nEon

Die Gamesbranche hat die 80er für sich entdeckt! Entwickler Dennaton Games greift den Trend auf und produziert mit Hotline Miami einen atmosphärisch dichten Top-Down-Shooter der alten Schule. Hotline Miami bezieht dabei seinen Reiz aus seiner schonungslosen Gewaltdarstellung und seiner hervorragenden Atmosphäre. Auch wenn die Gewallt gnadenlos stilisiert ist, ist sie am Ende knallhart. Hier werden Menschen zusammengetreten, gemeuchelt und um die Ecke gebracht. Die Gewalt wirkt an vielen Stellen sehr exzessiv und fühlt sich ab einem bestimmten Punkt wie ein langer LSD-Trip an. Am Ende muss dann jeder für sich selbst entscheiden und sich die Frage stellen: Warum spiele ich eigentlich Hotline Miami? Schon nach kurzer Zeit kann konnte ich mich dem Rausch der schnellen Action, dem außergewöhnlichen Look, des exzellenten Soundtracks und der dichten Atmosphäre nicht mehr entziehen und am Ende fühlte sich Hotline Miami für mich sogar Einzigartig an.

Hotline Miami ist für knapp 10 Euro über Steam oder GOG zu haben und ist empfehlenswert für Freunde der 80er, Filmen wie Drive, The Punisher und Shoot‘em ups.

8.5